Das tsche­chi­sche Le­ben ist un­kom­pli­ziert und spon­tan.“

Praktikum, Wohnung und Versicherung organisieren

In Prag war ich schon vor meinem Praktikum oft gewesen, daher kannte ich die Stadt, die Leute und das Leben schon etwas. Trotzdem ist es etwas ganz anderes, wenn man von einem Tourist zum tatsächlichen Bewohner einer Stadt wird.

An das Praktikum an der Deutsch-Tschechischen Industrie- und Handelskammer (DTIHK) bin ich durch einen persönlichen Bezug gekommen. Das Bewerbungsverfahren läuft bei der Handelskammer sehr schnell und simpel ab. Am besten schreibt man eine nette E-Mail mit allen relevanten Informationen (Bewerbung, Lebenslauf und ggf. Zeugnisse) an die im Internet angegebene E-Mail-Adresse. Es gibt bei der DTIHK einige Abteilungen wie die Markt- und Absatzberatung oder die Unternehmenskommunikation, die immer auf der Suche nach engagierten Praktikanten sind. Leider wird das Praktikum von der DTIHK nicht vergütet. Sie hilft aber gerne bei Erasmus-Anträgen oder sonstigen Fördermitteln.

Die Organisation meines Aufenthalts in Prag ist sehr unkompliziert abgelaufen, weil es sich bei der Tschechischen Republik um ein EU-Mitglied handelt, in dem keine gesonderten Visa-/Aufenthaltsgenehmigungen notwendig sind. Am einfachsten war es für mich, eine extra Studentenauslandsversicherung für die 3 Monate über den DAAD abzuschließen. Auf bekannten deutschen Portalen wie WG-GESUCHT ist das Angebot klein und leider auch unattraktiv. Über Airbnb findet man auch sehr viele und gute Wohnungen, allerdings sind diese verhältnismäßig teuer. Daher kann ich jedem empfehlen, sich nach einer Wohnung in der Facebook-Gruppe „Flatshare Prague“ umzuschauen. In dieser habe ich kurzfristig ein WG-Zimmer direkt an der Moldau mit einem netten Mitbewohner und einem Hund gefunden. Die Suche lief ganz simpel ab: Samstag – Anschreiben auf Facebook, Montag – Besichtigung, Mittwoch – Einzug. An sich trifft dieser Ablauf das tschechische Leben ganz gut, denn es ist unkompliziert und spontan.
Leben in Prag – viele Gelegenheiten, um Außergewöhnliches zu unternehmen

Ich bin mit meinem Auto angereist und habe dank Navi und einem kleinen Umweg den Weg nach Prag gefunden. Jedem, der nicht auf sein Auto angewiesen ist, würde ich empfehlen, auf andere Verkehrsmittel wie Bus, Flugzeug oder Bahn umzusteigen. Erstens, weil die Park-Situation in Prag katastrophal ist, zweitens eine Vignette notwendig ist und in der Tschechischen Republik viel und gerne geblitzt wird. Zudem ist Prag einer der best-vernetzten Städte, die ich kenne. Für wenig Geld kann man selbst in kleine Randgebiete mit Metro, Tram und Bus kommen. Selbst nachts kommt man mit Tram und Bus alle halbe Stunde an alle Stationen. Für ein 3-Monats-Ticket habe ich ohne Studentenrabatt 50 Euro gezahlt. Allerdings sollte man Acht geben, die Tickets immer dabei zu haben, denn in den öffentlichen Verkehrsmitteln wird oft kontrolliert.

Nachdem ich am Anfang bei einer Familie etwas außerhalb gewohnt habe und da leider unzufrieden war, bin ich Ende Januar in die Innenstadt gezogen. Am ganzen Leben in Prag ist die Miete wohl das teuerste, im Vergleich zu anderen deutschen Städten wie München, Berlin oder Hamburg aber noch günstiger. Durchschnittlich bezahlt man zwischen 300 und 400 Euro.

Jedes Restaurant bietet hier einen Mittagstisch an, bei denen man im Durchschnitt um die 3 Euro zahlt. Natürlich sollte man dafür nicht in die typischen Touristenrestaurants gehen, sondern in die versteckten Restaurants in den Innenhöfen oder verwinkelten Gassen. Einige der anderen Praktikanten haben selbst gar nicht gekocht, weil es für eine Person oft günstiger ist, essen zu gehen als selber zu kochen. Lebensmittel sind überall ungefähr gleich teuer, außer man geht zu kleinen Kiosken oder Märkten, da kann man nämlich sehr günstig einkaufen.
Hamburger auf dem Naplavka-Markt, Kakao im Café Savoy, Cocktail in der Groove Bar

Besonders das Nachtleben macht Prag zu einem Anziehungspunkt für Studenten. Jeden Tag gibt es ein anderes Event, Ausstellungen oder Konzerte, die jeder besuchen kann. Zudem bezahlt man hier für ein Bier nie mehr als 1,50 Euro. Tipp: Zum Ausgehen ist alles entlang der Dlouhá perfekt. Besonders bei warmem Wetter gibt es viele Outdoor-Events oder Märkte, die einzigartig sind. Prag sollte jeder ausnutzen, um Außergewöhnliches zu unternehmen. Beispielsweise bezahlt man hier für einen Theaterbesuch ca. 15 Euro und ein Eishockey-Spiel kostet nur 8 Euro. Wenn man etwas informiert über das aktuelle Geschehen bleibt, kann man sogar den Dreh eines Kinofilms mitbekommen.

In andere Länder reisen geht von Prag auch sehr einfach und günstig, beispielsweise bietet Student Agency wöchentlich Fahrten nach Budapest für 8 Euro an und täglich geht ein Flugzeug nach Mailand für 20 Euro. Ein großer Pluspunkt Tschechiens ist die Sicherheit. Es gibt keine Gegend und keine Uhrzeit, wo man als Person vorsichtig sein muss. Nie habe ich mich in Gefahr gefühlt. Da ich schon selber oft in Prag gewesen bin, habe ich nur wenig Sightseeing gemacht, sondern eher eine Café-Restaurant-Liste abgearbeitet.
Empfehlen kann ich jedem, samstags auf den Naplavka-Markt zu gehen und einen Hamburger zu essen, danach einen Kakao im Café Savoy zu genießen und abends einen Cocktail in der Groove Bar zu trinken.
Im Praktikum Verbindung von Politik und Wirtschaft kennengelernt

Die ersten Tage bei der Kammer sind sehr schnell rumgegangen. Die größte Hürde war wohl die Sprache, denn obwohl alle sehr gut Deutsch sprechen, ist deren alltägliche Bürosprache Tschechisch. Natürlich wurde mir vieles übersetzt, aber es dauerte ca. einen Monat, bis ich ein Gefühl dafür hatte, was genau das Gesprächsthema war. Der Büroalltag lief sehr organisiert ab; heißt: pünktliche Arbeitszeiten, konkrete Aufgaben und Zuweisungen. Es gibt keine konkrete Einführung, da man schnell integriert wird und die anderen Praktikanten schnell auf einen zukommen.

Meine Hauptaufgaben waren das Recherchieren, das Analysieren von Markt und Kundenstrukturen, Daten-Management und das Übersetzen. Da meine Sitznachbarinnen eigene Competence Center hatten, erhielt ich von ihnen oftmals eigene Projekte, wie die Organisation einer Delegationsreise zum Thema Industrie 4.0 und die Unterstützung des Kick-off-Termins zum Top-Thema „Intelligente Infrastruktur“. Das Spannendste war für mich das Protokollieren bei Meetings mit externen Partnern, da ich Einblicke in aktuelle Themen der Wirtschaft/Politik und die Interessen der Top-Firmen u bekam. Es war auf jeden Fall eine sehr gute Erfahrung, eine ganz andere Sicht auf die Wirtschaft zu bekommen, als in einem unabhängigen Unternehmen. Besonders lehrreich war es, die Verbindung zwischen Politik und Wirtschaft kennenzulernen.

Sehr hilfreich war es, mittags mit meinen Kollegen essen zu gehen, da ich durch sie besser die tschechische Küche und das Leben kennengelernt habe. Wenn man mit einer offenen Einstellung hier lebt, erfährt man viel über die Zeiten des Kommunismus und der Böhmischen Ära, obwohl heute davon nur etwas zu spüren ist, wenn man sich auskennt.

Mit den anderen Praktikanten der Handelskammer habe ich viel in meiner Freizeit gemacht. Es besteht auch immer ein enger Austausch und Kontakt zwischen den Praktikanten der Deutschen Botschaft und anderen Institutionen wie dem Goethe Institut, der deutschen Schule oder dem Bayerischen Konsulat.

Einen Tschechisch-Sprachkurs habe ich nicht belegt, weil ich überall mit Englisch zurechtkam und man die Basics für einen Supermarkt-Einkauf schnell lernt. Allerdings habe ich einen Deutsch-Stammtisch besucht, an dem Tschechen und weitere Studenten teilgenommen haben. Des Weiteren ging ich anfangs zu ein paar Tandemtreffen. Kontakte knüpfen ist in Prag aber das Einfachste der Welt. Gegen Ende meines Praktikums kannte ich weitere Studenten aus acht verschiedenen Ländern.
Fazit



Für mich selber habe ich viel gelernt bei der Handelskammer. Besonders, wie schade es ist, dass deutsche Firmen so wenig über ihre Möglichkeiten im Ausland wissen und wie einfach es über die Auslandshandelskammern sein kann. Daher ist es bemerkenswert mitzubekommen, wie viel Mühe sich die Kammern geben, um attraktiv für alle Märkte zu bleiben. Meine Kollegen und Freunde haben mir viele Einblicke in das tschechische Leben und deren positive und negative Seiten gezeigt. Persönlich finde ich es sehr schade, dass so viele Deutsche immer noch große Vorurteile gegenüber der Tschechischen Republik haben. Daher fördere ich jeden auf, sich selber ein Bild zu machen und in eine der schönsten Städte Europas einzutauchen.

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