Mir war vor­her nicht be­wusst, wie sehr die­se drei Mo­na­te mich prä­gen wür­den.“

In Paderborn arbeite ich bei der BENTELER Steel/Tube GmbH und habe mein Auslandspraktikum bei der BENTELER South Africa (PTY) Limited in Port Elizabeth in Südafrika absolviert. Den Kontakt zu unserem Standort dort habe ich über einen Kollegen im Vertrieb erhalten und habe den Auslandsaufenthalt telefonisch mit dem damaligen Plant Manager besprochen. Für die Arbeit in Südafrika wird ein Visa Section 11.2 benötigt, das man persönlich bei der Botschaft in Berlin anfordern muss. Versichert wurde ich durch mein Unternehmen. Zum International Office habe ich keinen Kontakt aufgenommen. Mein Aufenthalt in Südafrika dauerte 12 Wochen. Am Ende habe ich jedoch noch 1,5 Wochen Urlaub genommen und bin nach Kapstadt geflogen.
Die Wohnung wurde durch mein Unternehmen finanziert, die Wohnungssuche habe ich jedoch auf eigene Faust unternommen. Die Entscheidung ist letztendlich auf eine Wohnung in Summerstrand, Port Elizabeth, gefallen. Die Wohnung war eine von zweien in einem separaten Haus auf dem Grundstück einer weiß-afrikanischen Vermieterin. Die Wohnung bestand aus einem Wohnbereich mit Küche, einem Badezimmer mit Dusche und Badewanne und zwei Schlafzimmern. Das zweite Schlafzimmer wurde nur benötigt, da zu Beginn meines Aufenthalts bereits ein Kollege vor Ort war und wir uns die Wohnung teilten.

Zusätzlich hatten wir einen eigenen kleinen Garten mit Gartenmöbeln und Grill. Außerdem konnten wir den Pool der Familie nutzen. Zutritt zum Grundstück hatte ich über die Garage, in der ich auch mein Auto sicher parken konnte. Das gesamte Grundstück war durch hohe Mauern und Stacheldraht geschützt, daher habe ich mich zu keiner Zeit unsicher gefühlt.

Die Haushaltshilfe der Familie hat meine Wohnung mindestens einmal die Woche gereinigt, die Betten frisch bezogen, Handtücher getauscht und das Trinkwasser aufgefüllt. Außerdem hat die Familie einen Gärtner, der dreimal die Woche kam und sich auch um meinen Garten gekümmert hat. Für mich war dies ein absolutes Privileg, das ich genossen habe. Für viele wohlhabende afrikanische Familien ist es jedoch normal, Hausangestellte zu haben.
Zu Beginn hatte ich Probleme mit meinem Mietwagen. Über das Unternehmen haben wir ein Auto bei Sixt gebucht. Am Flughafen sagte mir die Mitarbeiterin jedoch, dass sie Mietwagen erst ab 23 Jahren vermieten. Daher hatte ich die ersten Tage kein Auto, bis wir über Hertz einen Wagen anmieten konnten. Bekommen habe ich dann einen silbernen Datsun Go – das günstigste Angebot, aber vollkommen ausreichend. Nach ca. sieben Wochen musste ich mein Auto jedoch austauschen, da es zum Service musste. Danach bekam ich ebenfalls einen Datsun Go, nun ein rotes, älteres Modell, das mich direkt zwei Tage nach Abholung verlassen hat, da der Reifen kaputt war. Der erneute Umtausch bei Hertz lief problemlos und sehr kundenfreundlich. Bis zum Ende meines Aufenthalts hatte ich nun einen weißen Datsun Go.

Tanken ist in Südafrika sehr günstig. Benzin kostet umgerechnet knapp 1 € pro Liter. Wenn man zu einer Tankstelle fährt, tankt man jedoch niemals selbst. Es gibt Angestellte, die das erledigen und gleichzeitig die Scheiben putzen, das Wischwasser auffüllen und Ölstand und Luftdruck messen, wenn man möchte. Bezahlen kann auch direkt durch das Fenster, aussteigen ist also nicht nötig. Anschließend übergibt man dem Angestellten noch etwas Trinkgeld, für die Extraarbeiten, die er am Auto erledigt hat.

Auch Auto waschen und aussaugen macht man nicht selber. Ich habe einmal für 30 Rand, das sind umgerechnet ca. 2 €, mein Auto saugen lassen. Es waren fünf Männer gleichzeitig im Auto, haben gesaugt, feucht abgewischt, die Fußmatten ausgeklopft und wirklich das Auto wie neu hinterlassen. Das Ganze hat 10 Minuten gedauert und jeder der Angestellten hat nur 0,40 € verdient. Das war für mich sehr erschreckend und ich habe ihnen zusätzlich 50 Rand Trinkgeld gegeben.
Gearbeitet habe ich im BENTELER-Werk in Uitenhage, etwa 35 Minuten von meiner Wohnung entfernt. Das Werk mit seinen 540 Mitarbeitern zählt zum Mercosur, der Wirtschaftsgemeinschaft in Lateinamerika, und arbeitet somit eng mit unserem Werk in Brasilien zusammen. Seit Ende letzten Jahres wurden Führungspositionen mit brasilianischen Kollegen besetzt, somit war auch mein Chef ein Brasilianer.

Zunächst arbeitete ich im Vertrieb und habe vor allem Preiskonditionen im System angepasst. Nach vier Wochen bin ich in den Einkauf gewechselt und wurde dort auch wesentlich mehr eingebunden. Mein brasilianischer Chef hat mich sehr gefordert und mir anspruchsvolle Aufgaben gegeben, um mich weiter auszubilden und mir gewisse Fähigkeiten zu vermitteln. Besonders Geduld war etwas, was ich in Südafrika lernen musste.

Alle meine Kollegen waren sehr freundlich, zuvorkommend und herzlich. Ich habe mich sofort wohlgefühlt und bin jeden Tag gerne zur Arbeit gegangen. Auf der Arbeit wurde mir jedoch auch bewusst, wie schwierig die Situation auf dem Arbeitsmarkt in Südafrika ist. Viele meiner Kollegen erzählten mir, dass sie auf diesen Job angewiesen seien und sie, falls sie ihn verlieren würden, wahrscheinlich keinen neuen mehr finden. Diese Situation hat mich sehr geschockt, mir jedoch auch bewusst gemacht, wie privilegiert ich bin, in Deutschland aufgewachsen zu sein und einen Job gefunden zu haben.
Bereits zu Beginn meines Auslandsaufenthalts habe ich mich in einem Fitnessstudio angemeldet, in das ich regelmäßig gegangen bin. Da der Strand nur ca. 5 Minuten zu Fuß entfernt war, habe ich auch viel Zeit dort verbracht. Auch wenn es an den meisten Tagen zu kalt zum Baden war, habe ich mich das ein oder andere Mal in die Wellen getraut. Angeboten wurden dort auch Surf- und Tauchkurse.

In Summerstrand, dem Ort, in dem ich gewohnt habe, ist die Nelson Mandela University. Zu Beginn meines Aufenthalts habe ich dort in eine Facebook-Gruppe eine Nachricht geschrieben, um Leute kennenzulernen. Von dem Tag an war ich eigentlich nie alleine unterwegs und konnte auch echte Freundschaften schließen.

Mit den Studentinnen bin ich sehr viel gereist. Südafrika ist ein Land mit einer atemberaubenden Natur. Wir sind die Garden Route gefahren, sind durch Höhlen geklettert, haben eine Safari im Addo Elephant National Park und im Kragga Kamma Game Park gemacht, waren im Valley of Desolation wandern, haben Robben in Plettenberg Bay bewundert, Sonnenuntergänge mit Walsichtungen in Sardinia Bay genossen, magische Orte wie Hogsback und Nieu-Bethesda besichtigt und insgesamt viele Tausend Kilometer zurückgelegt. In meiner Freizeit habe ich somit jede Minute genutzt, um das Land zu bereisen.
Eines meiner Highlights war ein Braai mit meinen Kollegen aus dem Einkauf und deren Familien. Braai ist eine südafrikanische Form des Grillens, allerdings nicht mit Deutschland zu vergleichen. Man fängt bereits nachmittags an und macht ein großes Feuer. Es läuft Musik und es wird sich über alle Themen, aber nicht über die Arbeit, unterhalten. Zwischendurch wird Fleisch über dem Feuer gegrillt und als Snack gereicht. Gegessen wird zu jeder Zeit und zwischendurch am Feuer.

Jeder brachte etwas zu Essen mit, es gab verschiedenes Fleisch, südafrikanisches Brot, Salat, Papp (südafrikanischer Maisbrei) und viele weitere Snacks. Es wurde gesungen, getanzt, gefeiert und getrunken. Die Männer tranken Bier, die Frauen Wein und Gin. Die Kinder haben im Garten gespielt, Marshmallows gegrillt und viel Spaß gehabt, obwohl sie nicht die gleiche Sprache gesprochen haben. Es waren nämlich zwei südafrikanische Kinder und zwei aus Brasilien. Es wurde also Afrikaans, Englisch und Portugiesisch gesprochen. Für die Erwachsenen war der Abend eine Mischung aus Englisch, Afrikaans, Xhosa, Deutsch und Portugiesisch. Genau dieser Kulturmix ist jedoch das, was Südafrika für mich zu einem sehr interessanten Land macht. Nicht umsonst ist Südafrika die Regenbogennation.
Anhand des geringen Lohns der Südafrikaner sind auch die Lebenshaltungskosten dementsprechend geringer. Mit meinem deutschen Ausbildungsgehalt hatte ich in Südafrika somit ein sehr luxuriöses Leben. Besonders aufgefallen ist mir, dass ich fast immer unter umgerechnet 10 € gezahlt habe, wenn ich in einem Restaurant gegessen habe. Auch wenn ich einen großen Hauptgang, einen Nachtisch und eventuell auch einen Wein getrunken habe, bin ich nie über 15 € gekommen. Einen großen Cappuccino gibt es für umgerechnet 1,60 € und Leitungswasser kann man immer umsonst bestellen.

Einkaufen im Supermarkt ist auch günstig, vor allem lokale Produkte wie Avocados, Zitrusfrüchte und Fleisch kosten deutlich weniger als in Deutschland.

Kostenkalkulation
Kosten
Unterkunft (3 Monate)2.400 €
Mietwagen (3 Monate)1.600 €
Hin- und Rückflug (günstige Reisezeit)550 €
Airbnb für Wochenendreisen30 € pro Nacht
Abendessen im Restaurant10 €
Inlandsflug (1 Richtung)Ab 60 €
Fitnessstudio (2 Monate)100 €
Eintritt NationalparkAb 10 €
Tipp: Falls man ein Auslandssemester (6 Monate) in Südafrika macht, wird man bei vielen Institutionen als Südafrikaner angesehen. Meist reicht das Vorzeigen des Studentenvisums aus, um einen geringeren Preis zu zahlen. Im Addo Elephant Park bezahlt man als International so zum Beispiel 307 Rand (ca. 19 €), als Resident jedoch nur 77 Rand (ca. 5 €).
Fazit, Tipps

Mein Auslandsaufenthalt war wohl die beste Zeit meines Lebens. Ich habe viel gearbeitet, aber auch viel gesehen. Bereits von Anfang an habe ich mich sehr wohl und zuhause gefühlt. Alle Kollegen, aber auch die Studentinnen, die ich kennenlernen durfte, habe ich sehr ins Herz geschossen. Südafrikaner sind sehr freundlich und vor allem sehr herzlich.

Ich empfehle jedem, eine Zeit lang in Südafrika zu leben und die Kultur, das Land und die Leute zu erleben. Besonders wichtig finde ich es, sich auch mit der Geschichte des Landes zu beschäftigen, um seine offensichtlichen Probleme besser zu verstehen und nachvollziehen zu können. Ich persönlich habe mich viel im Internet informiert und mir auch einiges von Kollegen erklären lassen. Außerdem kann ich den südafrikanischen Comedian Trevor Noah an dieser Stelle sehr empfehlen. Er ist zu Zeiten der Apartheid groß geworden und erzählt in seinem Buch „Born a Crime“ oder während einer seiner Stand-up-TV-Shows von seinem Leben. Er spricht über schöne, aber auch schwierige Seiten Südafrikas und vermittelt dadurch ein sehr authentisches Bild über die Lage des Landes.

Alles in allem war der Aufenthalt für mich eine Zeit, in der ich sehr viel lernen durfte und über die ich sehr dankbar bin. Mir war vorher nicht bewusst, wie sehr diese drei Monate mich prägen würden, doch jetzt bin ich sehr froh, diese Erfahrungen gemacht zu haben. Wenn man einmal hier war, möchte man nicht mehr weg, daher sind meine Flüge für die nächste Reise nach Südafrika schon gebucht.

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